Warum Führung etwas mit Freiheit zu tun hat

"Systemische Führung heißt eine Welt gestalten, der andere gerne angehören wollen"

Daniel F. Pinnow

Oftmals ist das heutige Bild von Führung noch durch Vorstellungen aus der Anfangsphase der Industrialisierung geprägt.

Der Mensch muss "funktionieren", die Führungskraft muss wie der Steuermann auf einem Schiff "das Ruder in der Hand halten" und die Mitarbeiter durch stürmische Zeiten navigieren. Der Chef "macht den Mitarbeitern Dampf", damit sie "spuren". Klar, dass solche Führungskräfte allen anderen immer einen Schritt voraus sind und auf alle Fragen eine Antwort haben! Kommt das Team in einen Engpass, wird der "Patriarch" das "Kind schon schaukeln". Stets sind alle Augen auf diese Führungskraft gerichtet, die als starke Persönlichkeit vorangehen muss.

Immer häufiger spüren Führungskräfte von heute, dass sie mit diesem klassisch-heroischen Führungsverständnis an Grenzen stoßen.

Führungskräfte alten Stils, die sich als einsamer "Steuermann" verstehen, wirken eher einengend und demotivierend auf ihre Mitarbeiter - ganz abgesehen davon, dass sie sich selbst permanent überfordern. Wer sich zum Dreh- und Angelpunkt seines Teams macht, wird zum Nadelöhr - und behindert nicht nur die Weiterentwicklung der Mitarbeiter, sondern am Ende auch den Business-Erfolg. In Zeiten der Vernetzung, des stetigen Wandels und steigender Komplexität haben die klassischen "Entscheider" ausgedient. Erst die Nutzung aller verfügbaren Gehirne und Ressourcen führt zu guten Entscheidungen und macht aus einem Unternehmen einen Marktführer.  
 
Führungskräfte von heute haben die Aufgabe, einen Raum zu schaffen, in dem Mitarbeiter sich weiterentwickeln, sinnvolle Arbeiten verrichten und ihre Stärken - individuell und als Team - voll zur Geltung bringen können. Dieses neue Führungsverständnis lässt sich am besten am Bild eine Fußballtrainers illustrieren. Seine Rolle ist es, die Spieler gemäß ihren Stärken einzusetzen. Er trainiert sie für das Spiel, erarbeitet Strategien und Spielzüge und unterstützt die Mannschaft dabei, funktionierende Kommunikationswege aufzubauen. Sobald das Spiel läuft, liegt jedoch alles bei den Spielern: der Umgang mit dem gegnerischen Team, der spontane Spielaufbau, das Toreschießen, das Gewinnen.

Dieses Leitbild erfordert also ein komplett anderes Verständnis der Führungsrolle.

Statt den Weg zur Verrichtung der Arbeit vorzuschreiben, werden zugrundeliegende Prozesse und Regeln vereinbart. Das Team wird befähigt, Entscheidungen zu treffen, die zur Erreichung des Ziels führen. Die Führungskraft bewegt sich eher im Hintergrund und hilft dem Team, zu wachsen und besser zu werden. Dabei sind ihre persönlichen Eigenschaften weit weniger wichtig als Verhaltensweisen und Kompetenzen, die allesamt erlernbar sind. 

Aus systemischer Sicht kann jeder Mensch zur wirksamen und erfolgreichen Führungskraft werden.

Führung ist nichts Gottgegebenes, keine Anhäufung von exquisiten (und damit unrealistischen) Eigenschaften wie Durchsetzungskraft, Extrovertiertheit, Macher-Qualitäten etc. Führung ist ein zu erlernender Beruf, in dem es gilt, bestimmte Aufgaben durchzuführen, die mit dem klassisch-heroischen Führungsverständnis nicht mehr viel gemeinsam haben.

Konkret geht es darum,

  • die Selbstorganisation und die Übernahme von Verantwortung im Team zu fördern
  • Verbindungen zu schaffen: zwischen Mitarbeitern im Team, aber auch zwischen dem Team und externen Mitspielern (Stakeholdern, Entscheidern, Top-Management, anderen Teams etc.).
  • die Intelligenz des Teams für Entscheidungsprozesse maximal zu nutzen: Die Führungskraft sieht ihre Aufgabe eher darin, Entscheidungen zu organisieren (Entscheidungskriterien, Prozesse und Termine festzulegen), anstatt selbst zu entscheiden.
  • Themen zu moderieren:  verschiedene Standpunkte zu integrieren, Dinge zusammenzufassen und die richtigen systemischen Fragen zu stellen.
  • Mitarbeiter gleichzeitig zu fördern und zu fordern.
  • sich zielstrebig und bewusst ein klares Rollenverständnis zu erarbeiten.   

So kann es Führungskräften gelingen, tatsächlich eine Welt zu schaffen, der andere gern angehören wollen - eine Welt, in der Freude an der Arbeit und echte Spitzenleistungen möglich werden.